Wir pflegen seit vielen Generationen eine uralte Tradition:
Das Trocknen von Obst, vor allem Birnen.
Birnbäume waren bis vor einigen Jahren ein wesentlicher Bestandteil der fränkischen Kulturlandschaft. Die Hutzelproduktion sorgte für den Erhalt und die Pflege der Bäume. Die Hutzelbirnen, auch als Dörrbirnen bekannt, wurden früher in die ganze Welt geliefert und dienten zum Beispiel als Schiffsproviant. Später fanden sie in großen Mengen bei den Nürnberger Lebkuchenherstellern Verwendung.
Von der Birne zur Hutzel
Viele Menschen wissen mit dem Wort Hutzel heute nichts mehr anzufangen. Für uns jedoch beginnt spätestens im September jeden Jahres die Hoch-Zeit der Hutzeln, die traditionell aus ganzen Birnen und auch Zwetschgen hergestellt werden. Angefangen mit der Ernte des Obsts auf den Feldern über die Trocknung bis hin zur Lagerung. Alles geschieht hier noch in guter, bewährter Handarbeit.
Das Trocknen der Birnen hat in Fatschenbrunn eine Jahrhunderte alte Tradition. Über 30 Hutzeldärren waren bis in die 80er Jahre in Betrieb. Leider konnte nur unsere Familie diese Tradition aufrecht erhalten. Bei über 100 eigenen Obstbäumen bedeutet dies zwar eine ganze Menge Arbeit, aber spätestens beim Probieren der ersten fertigen Hutzel hat sich die Anstrengung gelohnt.
Baumfelder und Kulturlandschaft
Die Baumfelderkultur ist ein 800 Jahre altes Bewirtschaftungssystem. Auf den Feldern wurden hochstämmige Obstbäume, vorwiegend Birnen, Äpfel und Zwetschgen gepflanzt. Unter und zwischen den Bäumen wurden die Äcker bewirtschaftet.
Mit dieser damals neuen Form der Landwirtschaft konnte der Ertrag für eine wachsende Bevölkerungszahl gesteigert werden. Heute gelten Agroforstsysteme als eine Strategie gegen den Klimawandel.
Trotz des rauen Klimas auf einer Hochfläche des Steigerwalds, mit seinen kargen, sandigen und steinigen Böden, fanden die Birnen gute Wachstumsbedingungen. Dazu beigetragen hat sicher auch das besondere Mikroklima in der Rodungsinsel Fatschenbrunn, die komplett von dichten Buchenwäldern umgeben ist.
Heutzutage sind Baumfelder ein fast untergegangenes Relikt einer bäuerlichen Kulturlandschaft. Sie war bis in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts die dominierende Bewirtschaftungsform in Franken und darüber hinaus in vielen Gegenden Mitteleuropas. Innerhalb einer Generation, in 25 Jahren von 1955 bis 1980 erlebte die Landwirtschaft und das Dorfleben mehr Veränderung als in 500 Jahren zuvor.
Die stolze, bäuerliche Landwirtschaft mit Selbstversorgung und Knochenarbeit ist in rasantem Tempo, aber doch ganz leise verschwunden. Und somit auch ein Verlust an Biodiversität. Die Hutzeln stehen sinnbildlich für diesen Wandel. Der Streuobst-Innovationspreis des Freistaates Bayern ist auch ein Zeichen für die Wiederbelebung der kleinteiligen bäuerlichen Landwirtschaft.
Gelebte Tradition
Wir sind Mitglied bei Slow Food Deutschland. Gerhard Schneider-Rose, Leiter der Arche-Kommission von Slow Food Deutschland, hat die Aufnahme der Fatschenbrunner Hutzeln in die Arche des Geschmacks maßgeblich betreut und war bei der Ernte dabei.
Das Hutzeldorf im Steigerwald
Das auf 442 Meter hochgelegene Dorf mit 250 Einwohnern ist eingebettet in den wunderschönen Steigerwald und hat einen ganz besonderen Charme.
Was Ötzi in seinem Rucksack verstaut hatte, als er vor gut 5.000 Jahren über die Alpen zog, packte auch der Extremsportler Reinhold Messner auf seinen Touren ein: Hutzeln, auf hochdeutsch Dörrobst. Schon in der Jungsteinzeit wusste man, wenn man Obst richtig trocknet, bleibt es fast unbegrenzt haltbar und bildet eine ideale Kraftnahrung für unterwegs.
Die Fatschenbrunner waren über Jahrhunderte Experten in der Kunst des Dörrens und sind es auch heute noch. So wurde der Obstreichtum als finanzielles Zubrot genutzt. Die Flur war von Birnbäumen übersäht. Die Birnen wurden von September bis Ende Oktober in Därröfen zu Hutzeln verarbeitet und an die fränkische Lebkuchenindustrie verkauft. Nachdem Hutzeln seit den achtziger Jahren kaum mehr Verwendung in der Lebkuchenproduktion fanden, starb dieser landwirtschaftliche Nebenerwerbszweig leider fast vollständig aus.
Unsere Partner
Mit Genuss und Verantwortung die Zukunft unserer Ernährung sichern: Slow Food ist eine weltweite Bewegung, die sich für biokulturelle Vielfalt, Tierwohl und für Nachhaltigkeit einsetzt.
Vielfältige kulinarische Spezialitäten sind ein wichtiger Ausdruck der hohen Lebensqualität in der Metropolregion Nürnberg.
Erholungslandschaft, Ernteraum, Seelenlandschaft und Ökosystem: Streuobstwiesen sind vielseitig. Um sie zu erhalten, müssen sie genutzt und gepflegt werden.
Hutzeln in den Medien
Der Herr der Hutzeln
Das Fotografen- und Fotoblogger-Team von Meerfreiheit hat uns besucht. Mareike Suhn und Christian Geisler berichten von der Begegnung mit Frau Hutzel auf einem Campingplatz am Schliersee.
Hutzeln im BR Fernsehen
Fatschenbrunn in Unterfranken ist bekannt für sein Dörrobst. Die getrockneten Birnen waren früher eine wichtige Einnahmequelle. Landwirt Franz Hümmer hat 100 Bäume mit alten Birnensorten, jetzt werden sie geschnitten.
ARD Buffet
Kennen Sie "Prinzessin Marianne?" Oder die "Gräfin von Paris"? Oder die "Köstliche aus Charneux"? Diese Damen sind keine Töchter aus europäischen Königshäusern, sondern uralte Birnensorten, die es heute nur noch im bayerischen Steigerwald (in der Nähe von Bamberg) gibt.
Aufgegabelt von Alexander Herrmann
Auch Sterneköche kochen nur mit Wasser. Alexander Herrmann fährt zur Petrusquelle nach Siegsdorf. Bei seiner zweiten Station in einem unterfränkischen Dorf lässt sich der Küchenchef das alte Handwerk des "Hutzelns" zeigen.